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Ausblicke auf und über die Fischerinsel

Virtuelle Photo-Galerie von Anne Schäfer-Junker

"Ahornblatt" Ein Wintermorgen. Ausblick am Tag der Sonnenfinsternis, 11. August 1999.   Photo-Triptychon "Lichtaltar gen Westen" (Moderner Altdorfer)          
Ahornblatt Blick nach Norden Blick nach Westen vor der Sonnenfinsternis während der Sonnenfinsternis während der Finsternis Wolkenwirbel Kometeneinschlag Lichtaltar gen Westen (linke Tafel) Lichtaltar gen Westen (mittlere Tafel) Lichtaltar gen Westen (rechte Tafel) Kritischer Alltag mit Blaulicht Historischer Hafen ehemalige "Köpenicker Wache" Dramatik und Stille
"Ahornblatt".
Das gefährdete Wahrzeichen der Fischerinsel


Blick nach Norden


Blick nach Westen
Die Landschaft bekam ein eigenartiges Licht, die Veränderungen waren mit dem bloßen Auge nicht wahrnehmbar, sind jedoch mittels einer Fotokamera deutlich als ungewöhnliche Farbveränderungen erkennbar. Gleichzeitig sieht man auf dem Foto in der Anfangsphase der Sonnenfinsternis die hohe Konzentration des Lichtes an den starken Schatten ...

Wolkenwirbel über der Fischerinsel ...

Lichtaltar gen Westen
(linke Tafel)

Lichtaltar gen Westen
(mittlere Tafel)

Lichtaltar gen Westen
(rechte Tafel)


Kritischer Alltag mit Blaulicht ...
Die Stadt aus dem Kahn
gebaut - Historischer
Hafen Berlin

Abendlicht über die ehemalige
"Köpenicker Wache"

Dramatik und Stille am Abend
über der Fischerinsel

Berlin, den 10. März 2000

Das "Ahornblatt" - Wahrzeichen der Fischerinsel

In der, von Politik und Wirtschaft als Stadt der Zukunft gepriesenen Bundeshauptstadt Berlin - wie es hier nachgerade ironisch gemeint sein könnte - schlägt die Abriß-Birne weiter zu. Intakte Gebäude werden abgerissen, weil sie potentiellen Bauherren für hochgerechnete Gewinne im Wege stehen. Auf die kulturell gewachsenen und stadtsoziologisch bedeutsamen Zusammenhänge wird dabei keine Rücksicht genommen Ökologisches und behutsames Bauen bzw. Erneuern der Stadt wird oft nur zum Schein in Aussicht gestellt. So auch in Berlin, jüngstes Beispiel: das Ahornblatt an der Gertraudenstraße/Ecke Fischerinsel in Berlin-Mitte: während auf gültigen Bebauungs- und Flächennutzungs-Plänen das Bauwerk mit bestehendem Denkmalschutz eingezeichnet ist, war in Wirklichkeit bei der Veräußerung von Grund und Boden an einen Investor vom Abriß des Denkmales ausgegangen worden. Oberflächliche Presseberichte haben dies gezielt vertauscht, die Bürger, besonders die hier Betroffenen, wurden getäuscht.

Sollte nicht das Leben in einer Stadt, die lange geteilt war und im "Kalten Krieg" leben mußte einen größeren Sinn erfahren und eine menschlichere Ausprägung, als weiteres Vernichten und Ignorieren von lebenswerten Voraussetzungen in Kultur und Gesellschaft? Dieser einmaligen Stadt der Kultur und der Künste und der heute schon sehr toleranten Begegnung ehemals verfeindeter Menschen erfährt gegenwärtig an einigen Orten eine weitere Vernichtung ihrer Kulturgüter und Erinnerungspotentiale. Es ist nicht nur die Sucht Flughäfen schließen zu wollen, obwohl sich täglich erweist, wie nötig sie sind. Es ist auch eine große Unfähigkeit, sich in der gelebten Geschichte des jeweils anders Denkenden zurechtzufinden bzw. diese zu tolerieren.

Für die Bürger, die hier auf der Spreeinsel und im Gebiet des stadt-historischen Ursprungs Cölln/Berlin leben und weiterhin leben wollen, wird der Freiraum und Gewinn an Lebensqualität schleichend, aber immer schneller mit wachsendem Tempo weiter eingeschränkt.

Wie der neuerliche Skandal um das Ahornblatt und die geplante Bebauung der Fischerinsel, die stadtplanerisch nicht zum Entwicklungsgebiet für Hauptstadtfunktionen gehört, beweisen, wird auf bereits vorhandene städtebauliche Ensemble, die keine weitere Verdichtung erlauben, weil sie bereits mit ca. 2.500 Einwohnern in 6 Hochhäusern mindestens um das doppelte "verdichtet" sind, keine Rücksicht genommen. Die BürgerInnen werden nicht wirklich ernsthaft befähigt, zu fragen, wie sich ihre Stadt entwickeln soll bzw. darf bei so unerträglich vielen Einflußmöglichkeiten und Rechten von Grundstücksbesitzern und Oberfinanzdirecteuren. Ihnen, den BürgerInnen werden - im Gegenteil - bewußt wichtige Informationen von politisch Verantwortlichen vorenthalten

Insofern hat die Architektenkammer im Februar 2000 etwas längst fälliges nachgeholt, sie hat nicht nur den Willen der Fach-Öffentlichkeit zum Ausdruck gebracht, sondern auch in weiten Teilen unartikulierten und, weil Adressaten nicht bekannt, unartikulierbaren Bürgerwillen.

Hier muß an etwas erinnert werden, was wieder hervorgeholt und in einer breiten Öffentlichkeit gelehrt werden sollte: die bei ihrer Verabschiedung geheimgehaltene Charta von Athen und deren Grundsätze für den Städtebau, beschlossen auf dem Internationalen Kongreß der Modernen Architektur 1933 in Athen, 1941 in Paris von LE CORBUSIER anonym veröffentlicht. An der Einschätzung im Zweiten Teil, Der gegenwärtige Zustand der Städte, wäre unsere Situation zu hinterfragen und zu beurteilen.

Es scheint, als sei die Widmung LE CORBUSIER'S bei der Veröffentlichung heute wieder hoch aktuell (Zitat aus: An die Studenten Die <Charte d'Athènes>, Rowohlt, Februar 1962):
"Ich möchte all jene zur Gewissensforschung und Reue bewegen, die aus der ganzen Wildheit ihres Hasses, ihrer Feigheit, ihrer geistigen Armseligkeit und aus ihrem Mangel an Vitalität heraus sich mit gefährlicher Hartnäckigkeit daranmachen, zu zerstören oder zu bekämpfen, was dieses Land - Frankreich - und diese Epoche als Schönstes zu bieten haben: Erfindungsgeist, Mut und schöpferisches Genie, die sich ganz besonders im Bereich des Bauens auswirken, in diesem Bereich, in dem Nüchternheit und Poesie nebeneinander bestehen, in dem Besonnenheit und Freude am Wagnis miteinander verschmelzen. Als die Kathedralen noch weiß waren, hatte Europa schon einmal, auf einen gebieterischen Einspruch der Technik hin, die Künste organisiert ..."
LE CORBUSIER, Quand les Cathédrales étaient blanches

Das verhängnisvolle Tun einer Gesellschaft, die ihre Denkmäler selbst vernichtet wird mit dem Abriß des Ahornblattes fortgesetzt, ohne daß die Bürger es begreifen können, denn ihr kultureller Wille drückte sich im Denkmalschutz für dieses Gebäude aus. Um es klar zu sagen, mit der Vernichtung von an sich geschützten Denkmälern werden die Menschen getäuscht und somit in der Konsequenz manipuliert, denn es wird ihnen ein Schutz vorgegaukelt, den es in Wirklichkeit nicht gibt.

Zu zynischem Ausdruck gelangt eine gesellschaftliche Situation an diesem historischen Ort "Spreeinsel", wenn etwa zeitgleich, März 2000, im Alten Museum auf der nördlichen Spreeinsel die Übergabe der Urkunde für den lang ersehnten Eintrag der Museumsinsel in die UNESCO-Weltkulturerbe-Liste würdevoll erfolgt, während auf der südlichen Spreeinsel, vom sogenannten Investor bestellt, die Bagger zum Abriß des Ahornblattes anrollen. Dieses Gebäude ist zum Wahrzeichen der Fischerinsel geworden und namhafte Persönlichkeiten setzen sich seit Bekanntwerden der Abrißpläne für seinen Erhalt und dessen sinnvolle Nutzung ein, so wie sich die internationale Öffentlichkeit, aber auch viele Deutsche, viele Berliner, vor allem Museums-Verantwortliche und Denkmalpfleger seit langem erfolgreich für den Erhalt und die Sanierung der Berliner Museumsinsel eingesetzt haben. Die Größenordnungen an historischer Baumasse sind nicht vergleichbar, denn für Gebäude der Architekturgeschichte gelten andere Maßstäbe, als die des zu be- und umbauenden Raumes.

Die Museumswissenschaftler der Welt haben ihre Maßstäbe für kulturell signifikante Werke der Völker und die erforderlichen Maßnahmen zu deren Schutz in den Codes des ICOM benannt.

Die UNESCO-Weltkulturerbe-Konferenz 1972 in Mexico hat neue Maßstäbe gesetzt für die Staaten dieser Erde.

Wenn nicht sofort neue Vertragsverhandlungen mit dem Ziel der Erhaltung des Denkmales "Ahornblatt" von den finanz- und kultur-politisch Verantwortlichen einsetzen, wird dieses Wahrzeichen vernichtet werden, ohne Not und in Friedenszeiten.

Es muß nicht verwundern, daß ich mir das Ahornblatt - einstmals ein öffentliches Gebäude - heute und jetzt als ein Friedens-Museum vorzustellen vermag, modern ausgestattet, mit den wichtigsten Friedens-Akademien und Friedens-Museen der Welt vernetzt. Hier ein Friedens-Museum einzurichten hätte nicht nur einen hohen symbolischen Wert. Das in Berlin, der "Stadt des Friedens" (Ehrentitel 1979 vom Weltfriedensrat verliehen) ein Friedens-Museum fehlt, sollte sehr nachdenklich machen. Das dürfte viele Menschen berühren, auch Nicht-Museumsfachleute, denn kulturelle Identifikation kann sich nur durch Bejahung und Verarbeitung von Konflikten ausprägen, nicht durch deren Verdrängen und nicht durch Vernichtung.

Noch steht das Ahornblatt!
Mögen die Verantwortlichen, vor allem die Investoren, hier ein neues Ziel für sich erkennen - ein "Denkmal der Toleranz" zu setzen, indem sie sich dem - wenn auch zaghaft - fortgeschrittenen kulturellen Bewußtsein der BürgerInnen öffnen und noch einmal mit uns gemeinsam nachdenken. Dazu wären viele Menschen hier bereit.

Anne Schäfer-Junker (vormals Wagner-Junker), Journalistin, Philosophin